Häkeln für die Weltmeere - mein Korallen-Häkel-Experiment
Am 29. Januar eröffnet das Museum Frieder Burda in Baden-Baden seine Ausstellung "Wert und Wandel der Korallen" von Margaret und Christine Wertheim.
In einer einzigartigen Kombination aus Kunst, Naturwissenschaft, Mathematik und Handarbeit haben die Schwestern Margaret und Christine Wertheim hier ein gehäkeltes Korallenriff erschaffen.
Bereits seit 2007 stellen die Schwestern ihr Crochet Coral Reef weltweit aus, um auf die Auswirkungen des Klimawandels auf Korallen aufmerksam zu machen.
Vielerorts sind zusätzliche, lokal organisierte Projekte, wie hier in Baden-Baden, entstanden, sog. Satellite Reefs.
Die Ausstellung zeigt Korallenwälder und Riffe, die nicht nur aus Wolle, sondern auch aus Videoband, Lametta und Plastikabfällen gefertigt wurden.
Unter dem Motto "Häkeln für die Weltmeere" hat das Museum im vergangenen Jahr zum Mithäkeln aufgerufen. Rund 4.000 Menschen haben sich an dieser Aktion beteiligt und ihre gehäkelten Werke an das Museum gesendet. Mehr als unglaubliche 40.000 Korallen wurden so gefertigt. Damit ist das Korallenriff in Baden-Baden weltweit das größte Satellite Reef.
Da mich der Korallenhäkelvirus auch infiziert hat, möchte ich hier der Frage auf den Grund gehen, was hyperbolisches Häkeln überhaupt ist und wie welche Formen entstehen.
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Was hat Häkeln mit Mathe zu tun?
Sehr viel. Spätestens beim Anfertigen einer Maschenprobe kommt man um den Dreisatz nicht mehr herum.
Gehäkelte Korallen sind ein wunderbares Beispiel für exponentielles Wachstum. Sie sind kein Projekt für Ungeduldige, denn nach ein paar Reihen explodiert die Maschenanzahl förmlich.
Was ist hyperbolische Geometrie?
In der Schule lernt man üblicherweise euklidische Geometrie: Hier beträgt die Winkelsumme eines Dreiecks immer 180 Grad.
Daneben gibt es noch die sphärische Geometrie. Zeichnet man auf einer Kugel, z.B. der Erde vom Nordpol aus zwei Linien in einem 90 Grad-Winkel zueinander und eine weitere Linie am Äquator, so erhält man ein Dreieck mit drei rechten Winkeln und einer Winkelsumme von 270 Grad.
In der sphärischen Geometrie ist die Winkelsumme eines Dreiecks immer größer als 180 Grad.
Bei der hyperbolischen Geometrie ist es genau umgekehrt. Zeichnet man ein Dreieck auf der Innenseite einer Kugel oder einer gebogenen Fläche, so erhält man ein Dreieck mit kleineren Winkeln.
Die Winkelsumme eines Dreiecks im hyperbolischen Raum ist immer kleiner als 180 Grad.
Der lettischen Mathematikerin Daina Taimina gelang es 1997 erstmals, hyperbolischen Raum physisch darzustellen. Sie fand heraus, dass sich Häkeln hierfür am besten eignet.
Wie häkelt man eine hyperbolische Ebene?
Beim Häkeln eines Kreises bleibt die Anzahl der Zunahmen in einer Runde normalerweise gleich, z.B. 6 Maschen. Die Abstände zwischen den Zunahmen werden mit jeder Runde größer.
Beim hyperbolischen Häkeln bleibt der Abstand zwischen den Zunahmen konstant und die Anzahl der zugenommenen Maschen erhöht sich in jeder Runde. Man verdoppelt also jede oder jede zweite, dritte, vierte, fünfte oder sechste Masche, je nach gewünschtem Effekt.
In Reihen oder Runden häkeln?
Es funktioniert beides. Die Koralle auf dem ersten Bild ist in Reihen, die auf dem zweiten in Runden gehäkelt. Beide Korallen habe ich mit 8 Maschen begonnen, in halben Stäbchen gehäkelt und jede Masche verdoppelt.
Bereits nach 8 Reihen hat man hier 1.024 Maschen. Wer Ausdauer hat und weiterhäkelt, kommt nach 18 Reihen auf satte 1.048.576 Maschen.
In Reihen gehäkelte Korallen kringeln sich mehr ein und wirken dadurch kompakter. In Runden gehäkelte Korallen haben innen eine gerade Fläche.
Diese beiden Korallen sind in festen Maschen gehäkelt. Ich habe wieder mit 8 Maschen begonnen und diesmal jede 4. Masche verdoppelt.
Je nachdem, wie fest und stabil die Koralle werden soll oder wie schnell man fertig sein möchte, kann man feste Maschen, halbe Stäbchen oder Stäbchen häkeln.
Korallen müssen nicht rund sein. Auch längliche Formen lassen sich nach demselben Prinzip anfertigen.
Dafür arbeitet man eine beliebig lange Luftmaschenkette und behäkelt sie auf der einen Seite im gewünschten Muster. In die erste Luftmasche arbeitet man drei Maschen und häkelt dann auf der anderen Seite wieder zurück. Man arbeitet fortlaufend in Runden und sticht dabei in die äußeren Maschen an den Enden immer dreimal ein.
Diese ovale Koralle habe ich mit 10 Luftmaschen begonnen, in halben Stäbchen gehäkelt und jede 2. Masche verdoppelt.
Kann man hyperbolische Ebenen auch Tunesisch häkeln?
Jawohl, das geht. Wenn man in Reihen häkeln möchte, muss man sich hier allerdings mit einem Trick aushelfen, denn man kommt mit der geraden Häkelnadel ja nicht um die Krümmung der Maschen.
Ich habe hier eine "Magic Loop"-Methode verwendet, ähnlich wie Sockenstricken auf einer langen Rundstricknadel.
Ich habe mit 10 Maschen begonnen, im Grundstich gehäkelt und jede 2. Masche verdoppelt.
Einfacher geht es, wenn man in Runden häkelt. Hier ist man nicht durch die Länge des Häkelnadelseils begrenzt und kann häkeln, bis einem die Wolle ausgeht.
Ich habe hier mit 6 Maschen begonnen, in Grundstich gearbeitet und jede 2. Masche verdoppelt.
Alles, was auf dem zweiten Bild rosa ist, ist eine einzige Rückreihe, also knapp 500 Maschen.
Mir hat mein Häkelexperiment viel Spaß gemacht. Ich bin sehr gespannt auf die vielen tollen Korallen, die in der Ausstellung gezeigt werden.
Wenn ihr in der Nähe von Baden-Baden wohnt, schaut sie euch auf alle Fälle an!
Die Ausstellung im Museum Frieder Burda wird bis zum 26. Juni 2022 zu sehen sein.
Viel Spaß beim Korallen häkeln!
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